Thesen, Aphorismen und Lebensweisheiten, von mir und anderen
      

 

  1. Man liebt nur, was einem Mühe macht.

  2. Mancher hat Angst davor, verstanden zu werden. Verstanden werden heißt entblößt werden.

  3. Um in einer definierten Gruppe Anerkennung zu finden, ist es notwendig, die von der Gruppe festgelegte Summe von Eigenschaften zu erreichen. Dabei können Schwächen in einer der geforderten Eigenschaften beinahe beliebig durch Stärken anderer Eigenschaften, auch solcher, die nicht im Wertesystem der Gruppe enthalten sind, kompensiert werden.   
     
  4. Das frühe Nein ist das leichteste.
     
  5. Ab 30 ist man für sein Gesicht selber verantwortlich.
     
  6. Lob ist zudringlicher als Tadel (Nietzsche, glaub ich).
     
  7. A Onkel mit ma Sach  isch besser, als a Dande die Klavier spiela ka.
     
  8. Was kompliziert daherkommt, ist oft nicht richtig durchdacht oder in einer verschärften Fassung: Was ich nicht verstehe, ist falsch.
     
  9. Audiatur et altera pars. Meine Übersetzung: Wenn Zweite über Dritte Vages berichten: Nicht urteilen und noch weniger reagieren ohne Original-informationen vom Dritten.
     
  10. Darüber hinaus ist es zur richtigen Beurteilung des Informationsinputs ratsam, sich immer wieder kurz in die Lage und die Person der Sender zu versetzen. Die ichbezogene Rezeption führt zu falschen Schlüssen.
     
  11. Umgekehrt ist es für die eigenen Botschaften wichtig, sie aus Rezipientensicht zu formulieren. Man ist selbst dafür verantwortlich, wie sie ankommen.
     
  12. Zahlen macht Frieden.
     
  13. Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige.
     
  14. Der Lotterieschein ist die Eintrittskarte ins Armenhaus (Warnung meiner Großmutter väterlicherseits).
     
  15. Mit der Kleidung ehrt man die Gäste (Opa).
     
  16. Wer arbeitet, macht Fehler und umgekehrt. Wer keine Fehler macht ...
     
  17. Wenn die Frau den Kopf aufsetzt, setzt der Mann den Hut auf (gehört im Paznauntal).
     
  18. Fragen ist Aktion, Angriff. Antworten ist Reaktion, Verteidigung.
     
  19. Ein Gespräch besteht zu genau 50 % aus Zuhören.
     
  20. Wer sich auf's Erba verlot, kommt z'früah oder z'spot. Übersetzung: Wer sich auf das Erben verläßt, kommt entweder zu früh oder zu spät.
     
  21. Sei vorsichtig, wenn Dir jemand etwas mit Zahlen, noch dazu mit selbst erhobenen, beweisen will.
     
  22. Macht die Prophylaxe tot, nur die Karies bringt Brot (Zahnarztweisheit).
     
  23. Für die Beurteilung des Erfolges kommt es nicht darauf an, auf welcher Leitersprosse einer  steht, sondern wie viele Sprossen er erklommen hat.
     
  24. Middem Alda kammer 's Nui verhalde.
    Betriebswirtschaftliche Übersetzung: Mit abgeschriebenen Geräten finanziert man die Abschreibungen neuer.
     
  25. Mensch,
    achte auf deine Gedanken, denn sie werden deine Worte.
    Achte auf deine Worte, denn sie werden deine Taten.
    Achte auf deine Taten, denn sie werden deine Gewohnheiten.
    Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.
    Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.

    (eine Talmud-Stelle aus der schweizerischen "Blick", entdeckt am 18.02.10)
  26. Gott oder nicht Gott, ist das die Frage?

  Erich Kästners bekanntes Gedicht mit dem Titel "Als die Synagogen brannten" lautet:

"Der junge SA-Mann:
Wo steckt Jehova nun, der nie verzeiht?
Ist er, Adresse unbekannt, verzogen?

Der alte Jude:
Gibts einen Gott, gibts auch Gerechtigkeit.
Wenns keinen gibt, was braucht es Synagogen?" Der weise alte Mann bzw. der Autor Kästner rechnet hier mit der Möglichkeit der Nichtexistenz Gottes.  "Jetzt sterben wir erst mal" pflegt ein gläubiger katholischer Freund von mir den Zweiflern um sich herum zu sagen, "dann sehen wir weiter." Ob Gott existiert oder nicht; früher oder später wird jedes Gepräch darüber nach mehr oder weniger  raffinierter Beweisführung mit fester Lagerbildung enden. Kann man die Frage offen lassen? Hilft Gott auch, wenn es ihn nicht gibt?Bei der Besprechung dieser These im Freundeskreis wurde ich auf Hans Vaihinger, den Philosophen aus Nehren aufmerksam gemacht, der über nützliche Fiktionen in seinem Hauptwerk "Die Philosophie des Als Ob" nachdachte. Hatte Vaihinger vorausgedacht? In gewisser Weise ja. Allerdings begab er sich nicht auf das theologische Glatteis.  Jedenfalls fand ich eine Fiktion Gottes in dem ganzen 700seitigen Werk nicht (auch wenn das in Wikipedia behauptet wird). Vaihinger beschränkte sich auf juristische, ethische und mathematische Fiktionen, die in dem Sinne nützlich sind, dass sie bei der praktischen Problemlösung helfen.  Kein geringerer als Thomas Mann spielt in seinen Josefsgeschichten mit dem Gedanken,  das Volk der Juden habe sich seinen Gott selbst geschaffen  oder vielmehr Gott und sein Volk könnten sich gegenseitig erschaffen haben. Weil er die Gottesfrage offen lassen will? Aus "Josef und seine Brüder" wird das nicht so recht klar - wie vieles andere übrigens auch nicht.  Ich plädiere für Gelassenheit in dieser Frage und bin überzeugt, dass die Vorstellung von Gott und der Glaube an Gott unabhängig von einer objektiven Gottesexistenz - falls es so etwas überhaupt geben kann - seine eigene Wirkung entfaltet und so viele positive Kräfte erzeugt, dass es auf die "Wahrheit" gar nicht ankommt.  Um das Kästner-Gedicht aufzunehmen: Gibt`s keinen, ist seine Fiktion im Sinne von Hans Vaihinger immerhin nützlich.