Die Sehnsucht nach Unsterblichkeit oder 

die Vorteilserwartung 

Es gebe kein Recht auf Rendite bei Immobilien ließ ein Politiker jüngst verlauten. Der Satz fand sogleich seinen Platz in einer Schlagzeile der hiesigen Zeitung. Er folgt dem Gedanken der Mietpreisbremse in Berlin oder umgekehrt, diese folgt jenem.  

Natürlich gibt es kein subjektives öffentliches Recht und schon gar kein Naturrecht auf eine Rendite. Das kann also nicht gemeint gewesen sein. Gemeint war wohl eher ein moralisches im Sinne von, es steht dem Grundeigentümer nicht zu, eine Rendite zu erwirtschaften. Der Gemeinwohlgedanke, der für die öffentlichen Einrichtungen von Bücherei bis Stadtentwässerung Kostendeckung als Renditeziel definiert, soll auch in das private Immobilienrecht Einzug halten. So verstanden macht die Forderung einen formalen Sinn. Aber sonst so?

Fangen wir doch mal ganz bei Null an zu denken. Alles strebt ins Sein, sagt der Philosoph. Alles was lebt, will da sein, nämlich im Dasein. Und es will da bleiben. Alles Leben pflanzt sich zu diesem Zweck fort. Fortpflanzung ist nichts anderes als die praktische Umsetzung der Sehnsucht nach Unsterblichkeit. Mit den Nachkommen bleibt man im Dasein. Die Gene sind in einem gewissen Sinne unsterblich solange sie immer und immer wieder weitergegeben werden. Alle Handlungen von Mensch und Tier haben deshalb die Erwartung eines Vorteils als Movens.  

Beispiele gibt es zuhauf bei Pflanzen, Tieren und Menschen. Pflanzen bewegen sich in für sie vorteilhafter Weise. Das ist leicht an allen Pflanzen zu beobachten. Hier ein Beispiel aus meinem Jägerleben. Entlang meiner Pirschwege – so nennt man den Pfad zum Hochsitz – wachsen Brombeerhecken. Wildsauen lieben diese Heckenart und nutzen sie als Einstand. Sie sind beinahe undurchdringlich und bieten mit dem effektiven Stachelbesatz einen guten Schutz. Zweibeiner zerreißen sich dagegen die Hosen oder stolpern über die Brombeerzweige. Weswegen ich die Ruten regelmäßig zurückschneide. Wohin wächst im Frühjahr aber die neue Brombeerrute? Sie wächst in meinen Pirschweg, also dahin, wo Platz und Licht ist. Ob dieses Wachstum allein von der Sonne gelenkt wird oder ob die Pflanze in irgendeiner Weise mitsteuert, soll hier nicht das Thema sein. Jedenfalls stellt sich der Vorgang als vorteilssuchend dar. Die Erwartung der Pflanze wird jedes Jahr enttäuscht, weil ich die Triebe auf dem Weg säuberlich abschneide. Das nur nebenbei.  

Auch Laub- und Nadelbäume entwickeln sich ihrem Vorteil nach. Stehen sie weit oder einzeln, entwickeln sich die Zweige in die Breite, dahin, wo Platz und Licht ist. Stehen sie eng wie im Wirtschaftswald, entwickeln sie sich nach oben, wo Platz und Licht ist. Am Rande sei erwähnt, dass dieses astlose Längenwachstum hocherwünscht ist, weil so hochwertiges  Bau- und Möbelholz produziert wird.               

Die Vorteilserwartung bestimmt das Verhalten der Wildtiere. Das Rehwild tritt aus dem Wald oder verschwindet im Wald weil es sich im ersten Fall Äsung im zweiten Fall Deckung und Ruhe verspricht. Alle Schritte dazwischen werden in der Erwartung eines Überlebensvorteils getan, alle Lebensäußerungen daraufhin ausgerichtet. Die Vorteilserwartung kann enttäuscht werden und sogar tödlich enden. Wenn meine Kugel trifft.  

Auch die Menschen erwarten von ihren Handlungen, Entscheidungen und allen Lebensäußerungen in jedem Einzelfall einen Vorteil für sich. Der Vorteil muss nicht finanzieller oder sonst materieller Art sein. Es reicht ein Wohlfühleffekt, ein gutes Gewissen haben wollen etc. aus, um in die erhoffte Richtung tätig zu werden.  

Die Vorteilserwartung ist nicht objektivierbar. Ein Außenstehender muss autoaggressives Verhalten nicht verstehen. Wer sich selbst tötet, sieht darin eine Lösung für sich, die niemand sonst verstehen muss und oftmals nicht versteht.

Wer altruistisch handelt, etwa sein Vermögen für einen guten Zweck spendet, sich also vordergründig schadet, verschafft sich dadurch eine innere Befriedigung.       


Menschliche Handlungen, die keinen Vorteil versprechen, unterbleiben einfach. 

Und damit sind wir beim Ausgangspunkt unserer Überlegungen. Wer ein Haus kaufen möchte, sich davon keinen Vorteil - in aller Regel eine Rendite - verspricht, nimmt von dem Kauf Abstand. Wenn kein Geld in Immobilien fließt, werden auch keine Immobilien hergestellt, saniert und dem Wohnungsmarkt zur Verfügung gestellt. Der Zusammenhang ist so einfach zu erkennen, dass man die politischen Forderungen nach Renditeverboten bei Wohnungen getrost unter Populismus abbuchen kann.