New York, New York        

                

Pfingsten 2012 war die ganze Familie Rein auf Drängen der Kinder („kein neues Auto, Vadder, lieber New York“) acht Tage in New York. Hier meine Reiseeindrücke.

 

Flug von Stuttgart direkt nach Newark, New Jersey, mit demTaxi zu der genialen Ferienwohnung in Manhattan Ecke 57. Street / 10. Avenue. Zu Fuß zum Lincoln-Center, zu Met und Avery Fisher Hall, zu Fuß zum Central Park/Columbus Circle, drei  Busstationen bis zur Carnegie Hall, Fifth Avenue, zu Fuß zum Times Square. Mit einer 29 Dollar-Wochenkarte für  Metro und Bus ist alles weitere zu erreichen, Manhattan dowtown, uptown, Harlem, Queens, Bronx, Brooklyn bis ans Meer.

Entspannter amerikanischer Straßenverkehr, weil genug Platzfür alle da ist. Die Fußgänger gehen bei Rot über die zebragestreifte Straße und die Autofahrer kurven ohne zu hupen um sie herum. Überhaupt große Rücksichtnahme jeder auf jeden, besonders in Warteschlangen. Eindrucksvoll wenn ein Behinderter in den Bus gehievt wird (Disabled persons beginnen mit dem Rollator nicht erst mit dem Rollstuhl wie bei uns). Dann steigt der Busfahrer aus, lässt umständlich und langsam und so als ob er alle Zeit der Welt hätte, eine kleine Plattform aus dem Bus fahren, der Rollatorfahrer fährt drauf und wird hydraulisch in den Bus geladen. Inzwischen bildet sich an der Einstiegstür eine Schlange geduldig wartender Menschen. Nicht selten wird der ganze Vorgang von einem der überall herumstehenden Officers überwacht. Der Vorgang hat in seinem bedächtigen Ablauf ritualartige Züge. Vielleicht findet der Amerikaner sich selbst und seine Seele darin, wenn ein Hilfevorgang so zelebriert und gedehnt wird.

Alle Busse haben Vorneeinstieg beim Busfahrer. So kommt ohne Karte niemand in den Bus. Kontrolleure  sind daher überflüssig. Ebenso in der Metro. Ohne Karte ist der Zugang nicht möglich. Auch da keine Kontrolleure.

In den Läden extreme Kundenorientierung und Servicebewußtsein. Ein Immobilienmakler hat uns stundenlang zwei Wohnungen in der 59. Straße direkt am Central Park im 57. Stock gezeigt, obwohl er wusste,  dass wir nicht nach New York gekommen waren, um eine Wohnung zu kaufen. Sie wäre auch zu klein gewesen  (78 Quadratmeter), zu teuer ( 1.300.000 Dollar) und zu weit weg vom Neckar (6.300km).  

 

Die Gesichter der New Yorker zeigen selten Anstrengung und Ärger geschweige denn Unfzufriedenheit. Es gibt den Tübinger Typus nicht, der mit grauem Bart, schmalem gebräuntem Vegetariergesicht, auf dem Fahrrad ordnungsmäßig behelmt mit senkrechten Stirnfalten  sein Verkehrsrecht durchsetzt.

Optimismus und der Glaube an die eigene Stärke scheint mir das vorherrschende Lebensgefühl der Menschen in Manhattan zu sein. Die  meisten blicken entspannt und gelassen in die Welt, haben allenfalls Altersfalten – wenn sie nicht weggeliftet sind - keine Sorgenfalten und sind über die Maßen hilfsbereit. Sobald der Blick des Touristen nach einem Schild geht, fragt bestimmt jemand, ob Hilfe genehm sei. Wenn die Frage verneint wird, glaubt er das nicht, sondern erklärt  vorsichtshalber alle Sehenswürdigkeiten im Umkreis einer Meile und wie man sie am besten erreicht.  

 

Es gibt zwei leicht zu unterscheidende Arten von Menschen auf den Straßen: Die Einheimischen mit Kaffeebechern von Starbucks oder Mc Donalds und Blick nach unten ins Iphone und die Touristen ohne Kaffee und Blick nach oben zu den architektonischen Highlights von Manhattan. Von letzterer Sorte sind sehr  viele unterwegs, besonders am Broadway in Höhe Times Square, in der Fifth Avenue sowie im unteren Central Park.

Die Stadt war auffällig sauber, vielleicht mit Ausnahme der Bronx. Die Bushaltestelle vor unserer Ferienwohnung unweit des Hudson, also nicht im touristischen Zentrum,  wurde in einer Woche zwei  Mal nass abgestrahlt. Die Gehwege in der ganzen Stadt waren sehr sauber und wurden regelmäßig nass gereinigt. Ein hoher  Standard, den wir uns in Tübingen jedenfalls nicht leisten. 

 

Die Highlights in Stichworten:

Ground Zero

Ich traue der amerikanischen Wirtschaft alles zu, seit ich gesehen habe, mit welchem gigantischem finanziellem Einsatz und welcher Selbstverständlichkeit ganz  ohne Wutbürger  vier Türme an der Stelle gebaut werden, wo zwei Türme eingestürzt sind. Die Berichte in den deutschen Wirtschaftszeitungen  und im deutschen Feulleton (!) über die schwache amerikanische Wirtschaft lese ich seither mit der gebotenen Vorsicht.

Beeindruckend das 9/11 Memorial.  Zwei quadratische Wasserbecken mit einer Kantenlänge von vielleicht 40 m auf deren Ränder die Namen aller 3.000 Opferdes seinerzeitigen Terroranschlags eingraviert sind. In der Mitte jeweils ein Schacht von 10 mal 10 m, in den das Beckenwasser tosend stürzt. Der Sichtwinkel für Besucher ist so, dass man nicht sehen kann, was mit dem Wasser weiter geschieht, wie es abgeleitet oder hochgepumpt wird. Zurück bleibt der Eindruck, die Erde habe das Wasser verschluckt und zurück bleiben Momente von höchster Transzendenz. 

New Yorker Philharmoniker in der Avery Fisher Hall

In diesem 80köpfigen Orchester spielen die weltbesten Musiker. Nie habe ich eine bessere Carmina Burana gehört, mit einem auswendig singenden Riesenchor von 120 Sängerinnen und –sängern  (auswendig singen ist in Deutschland unüblich). Die lange und schnelle Pizzicato-Stelle aller Streicher hochpräzise, ein Querflöten-Morendo, das um ein Haar zu Szenenbeifall geführt hätte, nachdem 2.800 Zuhörer zuvor minutenlang den Atem angehalten hatten. Schlussbeifall bevor der letzte Ton verklungen war.

Der amerikanische Dirigent sprach mit seinem Publikum, er ist eben Entertainer durch und durch. Das findet man in Deutschland selten.  Das war auch bei dem zweiten Konzert am Memorial Day so. Der Dirigent führte durch das Programm und am Schluss wurde stehend hope and glory gesungen.  Fast wie bei den Last Night of the Proms–Konzerten in der  Royal Albert Hall in London. Es hätte nur noch der Auftritt von Bürgermeister Bloomberg gefehlt, aber der kam nicht.  

Metropolitan Museum of Art und und Moma)

In beiden Museen - Guggenheim war geschlossen - nur die besten Stücke europäischer (!) Kunst. Man hätte erwartet, mehr amerikanische Maler vorzufinden.  Die Bilder sind nicht geschützt und jederzeit ohne Blitz fotografierbar. Offenbar brauchen die Amerikaner keine Zerstörungen zu fürchten. Vielleicht liegt es daran, dass die meisten Bildergalerien aus jüdischen Stiftungen stammen, also nicht dem Staatoder der Stadt sondern irgendwie allen Amerikanern gehören.  

Harlem

In Harlem die Columbia University neben dem schönen Park und daran anschließend das schwarze Harlem. In deutschen Zeitungen sind Amerikaner meist dick (und dumm). Ich weiß nicht, ob das für andere Gegenden der USA zutrifft. Wir haben in Manhattan kaum übergewichtige Menschen angetroffen, wohl aber in Harlem. Die dicksten Menschen sahen wir in diesem Stadtteil in einerGospel-Church. Eine schwarze Gottesdienstbesucherin lud mich ein, mit ihr im Taxi zur Kirche zu fahren, was ich nicht ausschlug. Sie brauchte die ganze hintere Sitzbank für sich. Das war der Grund, warum sie mir partout den Platz neben dem Fahrer angeboten hatte. Sie und die anderen Gottesdienstbesucher waren  keinesfalls ärmlich gekleidet. Sie waren selbstbewusst im Auftreten,eher stolz  und stark als demütig undk leinlaut. Wenn man gesehen hat, mit welcher Religiosität und Spiritualität die Leute leben, kann man erahnen, warum jedenfalls die evangelische Kirche in Deutschland keine Zukunft haben kann.  

Brooklyn

Von den Brooklyn Heights sind wir abends über die Brooklyn Bridge auf die Skyline zugewandert. Ein Erlebnis der besonderen Art. Radfahrer noch viel rabiater als hier in Tübingen.   

Queens

Ein sehr  britisches Stadtbild. Viele Asiaten wohnen dort.  Supermärkte nur mit Asian Food. Mit den Kindern durch ein Schwulen- und Lesbenfest gepflügt, so groß wie das Tübinger Stadtfest.   

Bronx

In die Bronx zu fahren muss man sich trauen, wurden wir gewarnt.  Seit den einschneidenden Maßnahmen des früheren Bürgermeisters Giuliani ist es dort nach unserem Eindruck für Touristen nicht mehr gefährlich. In der Bronx haben wir das Yankee Stadion und die Gegend um den Supreme Court besichtigt.

Staten Island

Zwei Mal waren wir in Staten Island, ein Mal tagsüber und  ein Mal nachts. Nachts leuchtet die Südspitze von Manhattan wie ein Kunstwerk zur Fähre herüber.  

Wallstreet

Im Haus der Deutschen Bank (öffentlicher Teil) gegessen.Dort wird mit Leidenschaft und doch kühl bis ans Herz hinan Schlagschach gespielt. Ich hätte jeden Zug – nachdem gezogen wurde – auch so gemacht. Lautergute Züge und am Ende verlor doch einer.  Die Nerven entschieden.  

Katz’s  Deli

Pastrami essen bei Katz in der Houston Street. Wenn man die Eingangsbarrieren und die Warteschlange hinter sich hat, gibt’s wirklich gute Pastrami-Gerichte zu einem nicht völlig überzogenen Preis. Es gibt auch in Manhattan mindestens einen Laden, der  keine Kreditkarten nimmt:  Eben, Katz.

Israel Day

Mit den Kindern bei der Parade auf der Fifth Avenue Richtung Central Park. 30.000 New Yorker Juden viele Stunden unterwegs. Kindergärten, Schulen,Universitätsgruppen, Vereine, auch einige Lubawitscher Charedim waren zu sehen. Unvergessliches bewegendes Gespräch mit einer jüdischen Zuschauerin, die, nachdem sie  unsere Kinder mit Süßigkeiten überhäuft hatte , von mir erfuhr, dass wir aus Germany, dem Land der Killer wie sie sagte, kommen.

Times Square

Ein Toristentreffpunkt. Da muss man nicht zwei Mal gewesen sein.

Rückflug

Beim Abflug in New York sieht man die Sonne im Westen Amerikas untergehen. Dann fliegt man nach Osten in die Nacht. Aber schon nach wenigen Flugstunden sind die ersten Sonnenstrahlen wieder zu sehen und wenig später die Sonne über dem russischen Osten.  Ein außerirdisches , ein Raumfahrergefühl.